"Wir tun nichts Verbotenes!"
Dietmar Matteschk und Heinz Harry Schulz wurden am 13. Februar 1988 in Dresden verhaftet und in das Untersuchungsgefängnis der Staatssicherheit an der Bautzner Straße gebracht. Heinz Harry Schulz hatte bei der staatlich organisierten Kundgebung am Theaterplatz ein Transparent hochgehalten. Dietmar Matteschk wurde verhaftet, weil er abends an der Ruine der Frauenkirche ein Plakat zeigte, auf dem er Menschenrechte einforderte. Beide wurden zu mehrmonatigen Haftstrafen verurteilt.
Aus Interviews mit beiden Zeitzeugen sowie dem ehemaligen Landesjugendpfarrer Harald Bretschneider ist ein Kurzfilm entstanden. Harald Bretschneider, auf den das Leitmotiv „Schwerter zu Pflugscharen“ zurückgeht, erinnert im Film, wie in Dresden der 13. Februar 1982 zur größten Veranstaltung der staatskritischen Friedensbewegung in der DDR wurde.
Die Gedenkstätte drehte den Film im Februar 2021, als bedingt durch die Pandemie die Veranstaltungen zum 13. Februar abgesagt werden mussten.
Staatlich verordnetes Gedenken im Kalten Krieg
Während des Zweiten Weltkrieges kämpften die Sowjetunion, US-Amerika und Großbritannien gemeinsam gegen das nationalsozialistische Deutschland. Nach dem Krieg wurden aus den ehemaligen Verbündeten Gegner. So prägte der Kalte Krieg schon früh das Erinnern und Gedenken an die Bombardierung Dresdens durch die britische und US-amerikanische Luftwaffe.
Bereits 1946 wurde der Luftangriff als erster Schritt zur Vorbereitung eines neuen Krieges gesehen. So meinte Max Seydewitz 1948: „Die Naziführer wollten, dass die von ihnen gemeinsam mit den anglo-amerikanischen Imperialisten zerstörte Stadt für immer tot sei.“ In diesem Sinne wurden die einstigen Gegner der Nationalsozialisten mit diesen gleichgesetzt. An kaum einem anderen Ort wird diese Lesart so anschaulich und erkennbar wie auf dem Dresdner Heidefriedhof.
Der Dresdner Heidefriedhof
Der Ehrenhain des Heidefriedhofes ist die größte Kriegsgräberstätte Dresdens und ein zentraler Ort für die Erinnerung an die Ereignisse des 13. Februar 1945. In den zu DDR-Zeiten anonymisierten Massengräbern und im zentralen Aschegrab ruhen die sterblichen Überreste von ca. 17.600 Luftkriegstoten. Der Ehrenhain wurde Anfang der 1960er Jahre mit dem 1955 angelegten „Ehrenhain für die Opfer des Faschismus“ verbunden. Ein 450 Meter langer Prozessionsweg führt seitdem von den Grabanlagen der "Widerstandskämpfer und Verfolgten des Naziregimes“ über einen kreisförmigen Kundgebungsplatz zur Gedenkanlage der Luftkriegstoten. Der Prozessionsweg endet an einer Mahnmalswand mit dem Spruch „Wie viele starben? Wer kennt die Zahl?“ von Max Zimmering. Auf dem kreisförmigen Kundgebungsplatz erinnern 13 Stelen an Orte nationalsozialistischer Verbrechen, die 14. Stele ist Dresden gewidmet. So bindet die Gestaltung der Memorialanlage die Luftkriegstoten von Dresden, unter denen sich auch Mitläufer, Mitschuldige und überzeugte Nationalsozialisten befanden, gleichberechtigt in die antifaschistische Traditionspflege ein. Diese problematische gesichtspolitische Inszenierung sorgt aktuell für große Kontroversen.
Holger Hase, der Vorsitzende des Vereins „Denk Mal Fort! e.V.“ stellt im Interview den Erinnerungsort auf dem Heidefriedhof vor.
Privates und kirchliches Gedenken
Neben dem staatlich verordneten Gedenken erinnerten schon früh Kirchgemeinden an die Bombardierung Dresdens. In privaten Wohnungen oder an der Ruine der Frauenkirche stellten viele Dresdner brennende Kerzen auf. Gegen 22:00 Uhr setzte das Läuten der Kirchenglocken ein. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Bombardierung der Stadt am 13. Februar 1945 begonnen.
Neben Kerzen und Kirchenglocken war auch die jährliche Aufführung der Trauermotette „Wie liegt die Stadt so wüst“ von Rudolf Mauersberger ein fester Bestandteil des Gedenktages. Als Kreuzkantor und Leiter des Kreuzchores hatte Rudolf Mauersberger am 13. Februar nicht nur seine gesamte private Habe verloren. Er musste erleben, wie Kreuzschule und Kreuzkirche zerstört wurden und elf seiner Schüler den Tod fanden.
Unter diesem traumatischen Eindruck komponierte er die Trauermotette „Wie liegt die Stadt so wüst“, die am 4. August 1945 im Chor der ausgebrannten Kreuzkirche uraufgeführt wurden.
Friedensbewegung
Vor dem Hintergrund wachsender internationaler Spannungen und anhaltendem atomaren Wettrüsten gründeten sich in der DDR und in anderen sozialistischen Staaten des „Ostblocks“ unabhängige Friedensbewegungen. Harald Bretschneider, von 1979 bis 1991 Landesjugendpfarrer für Sachsen in Dresden, schuf die beiden Leitmotive „Schwerter zu Pflugscharen“ und „Frieden schaffen ohne Waffen“. Er beriet Wehrdienstverweigerer und setzte sich für die Schaffung eines alternativen Wehrdienstes ein.
Ende 1981 riefen Jugendliche um Johanna Ebischbach (später Johanna Kalex) mit illegal abgetippten und gedruckten Flugblättern dazu auf, sich am bevorstehenden 13. Februar an der Ruine der Frauenkirche zu treffen und das Lied der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung „We shall overcome“ zu singen.
Nachdem die Jugendlichen das Flugblatt verteilt hatten, wurden sie in der Schule bedrängt und geraten ins Visier der Stasi. Sie wandten sich an Harald Bretschneider, der ihnen Hilfe versprach. Es kam schließlich zu einem Gespräch zwischen dem Evangelischen Landesbischof Johannes Hempel und dem Ersten Sekretär der Dresdner SED-Bezirksleitung Hans Modrow. Man einigte sich auf einen Kompromiss, der die Veranstaltung aus dem öffentlichen Raum in die Kreuzkirche verlegte. So fand am 13. Februar 1982 in der Kirche das „Forum Frieden“ statt, das Harald Bretschneider gemeinsam mit den Jugendlichen vorbereitete.
Die Aktion am 13. Februar 1982 wurde zur größten Veranstaltung der staatskritischen Friedensbewegung in der DDR und wiederholte sich in den kommenden Jahren bis zur Auflösung der DDR. Die Akteure der Friedensbewegung blieben stets im Fokus der Stasi.
„Wir tun nichts Verbotenes!“ schrieben Johanna Ebischbach und ihr Freundeskreis auf das Flugblatt. Junge Erwachsene, wie Dieter Matteschk und Heinz Harry Schulz, forderten Freiheitsrechte und Freizügigkeit ein. Ihre Aktionen stehen beispielhaft für viele andere, die in der Summe maßgeblich zum Zusammenbruch der SED-Diktatur im Herbst 1989 beitrugen. Am 13. Februar – wie auch zu anderen Anlässen in Dresden und im ganzen Land – wurden Formen einer Gegenöffentlichkeit gesucht. Die immer wieder eingeforderten Rechte waren grundlegend für die Friedliche Revolution. Am 8. Oktober 1989 wurden sie in den ersten Forderungskatalog der Demonstranten aufgenommen, als sich in Dresden auf der Prager Straße Gruppe der 20 bildete. Nach heftigen gewaltvollen Zusammenstößen Anfang Oktober am Dresdner Hauptbahnhof begann der Dialog mit der Staatsmacht und leitete die Friedlichkeit der Revolution ein.